top of page

300 Gramm Glück

Katinka Reichelt

Mein Leben fühlt sich seltsam an! Ohne die Kekse, die ich seit Jahren nahezu täglich für euch dekoriert hab… Hanseaten, Mango Tangos, Glücks Cookies, Schaumküsschen; Dubai Cookies, Hafer Rosinen Taler oder Rocky Road Brownies. Meine ganz persönliche Rocky Road – der steinige Weg – hat sich nach Hause aufs Sofa verlagert. Zwangspause, damit unser Mini Rebel noch ein Stückchen wachsen kann; während Rahul und Hesham 200m Luftlinie entfernt im Rekordtempo für euch weiter backen.


Wenn ich früher in Gramm-Kategorien gedacht habe, dann immer bei Brötchen, Kuchen oder Croissants. Jetzt denke ich, was für ein unglaubliches, unerwartetes Glück es ist, dass der kleine Bewohner in meinem Bauch letzte Woche 300g zugenommen hat… ein bisschen mehr als eine Tüte Choc Chip Cookies. Das scheint zu dieser Zeit völlig normal. Aber normal ist eben, anders als bei Emily, in dieser Schwangerschaft gar nichts.


Die beste Kekstüte der Welt


Bevor ich mein erstes Baby bekam, dachte ich, dass ich nahezu alles darüber wüsste. Als sie da war, wurde mir bewusst, dass alles, was ich vorausgedacht hatte, nicht oder völlig anders eintraf; und dass alles, was ich nicht vorausgedacht hatte, plötzlich da war und nach Lösungen verlangte. Ich glaubte in der Folge, nun hätte ich so ziemlich alles begriffen.


Und dann kündigte sich Nr. 2 an und es schien tatsächlich, als würde alles wie am Schnürchen laufen. Bis es das nicht mehr tat. Rückwirkend betrachtet schon zu einem sehr, sehr frühen Zeitpunkt. Aus dem Schnürchen wurde ein Tau mit lauter gordischen Knoten. Und noch immer reihen sich weitere an die vorhergehenden.


Weil mir bei nahezu jedem Problem immer als erstes das Backen einfällt, muss ich daran denken, wie oft ich glaubte, nun hätte ich irgendetwas Grundlegendes über die Natur der Dinge verstanden… um dann wieder und wieder festzustellen, dass dem nicht so war. Dass immerzu etwas Unvorhersehbares geschieht. Dass manchmal nichts anderes hilft, als Geduld, und die fällt mir am allerschwersten. Dass die Natur ihre eigenen Gesetze hat, schon bei etwas so simplem wie Mehl. Und erst recht bei Babys.


Gewiss ist nur die Ungewissheit.


Ich werde, bis ich unseren Sohn endlich in den Armen halte, nicht wissen, wie diese Reise für uns beide ausgeht, wie sie zu Ende geht und auf welche Weise sie neu beginnt. Ich drehe ganz sanft an winzigen Schräubchen – ein bisschen ätherische Öle hier, ein bisschen Sonne auf den Bauch da, ein paar Entspannungsübungen dort. Und sehr viel Sofa.


Aus Emilys Fenster sehe ich die Bäckerei, den Ort, der mich so sehr mit euch verbindet. Auf besagtem Sofa lese ich Mails, die ich mir nie hätte vorstellen können, von Menschen, die ich noch nie getroffen habe, von euch. Sie sind wie Federn von unsichtbaren Schutzengeln.

Noch 8 Wochen, die jeden Augenblick zu 8 Tagen oder 8 Stunden zusammenschmelzen können.

Ich weiß nicht, ob das alles, seins und meins, irgendetwas mit Zöliakie zu tun hat, weil es so gut wie keine Forschung darüber gibt. Ob beides miteinander zusammenhängt, ob zum Beispiel das Risiko für Präklampsie steigt, für eine vorzeitige Geburt oder für Fehlbildungen.

Aber was ich weiß ist, dass ich 300g noch nie in meinem Leben so euphorisch gefeiert habe. Schon gar nicht bei Gewichtszunahme. Keep growing, kleiner Mann!


Wenn ihr Erfahrungen habt, würde ich mich über eine Nachricht freuen.


Comments


bottom of page