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Wie gewiss ist Wissenschaft?


„Man sollte niemals zu einem Arzt gehen, ohne zu wissen, was dessen Lieblingsdiagnose ist.“

Henry Fielding (1707-54), engl. Schriftsteller u. Humorist




Im Verlauf von 50 Jahren stellen Wissenschaftler Zigtausende scheinbar bahnbrechender Theorien auf – und verwerfen sie wieder. Manche nach Tagen, andere nach Wochen. Corona führt uns gerade drastisch vor Augen, wie schnell Thesen sich als falsch erweisen. Weltweit jagen Wissenschaftler nach Zusammenhängen und Gegenmaßnahmen, um dann festzustellen, dass das Virus doch wieder anders, schneller, schlauer, böser oder doch nicht so böse war.


Eine seit Menschengedenken unerschütterliche Wahrheit jedoch schien diese zu sein: „Weizen ist gesund“. Er ist nicht nur in Weißbrot zu finden, sondern auch in kernigem Schwarzbrot. Er steckt nicht nur in Törtchen, sondern auch in den meisten knusprigen Müslis. Was kann denn daran schlimm sein? Das Gluten, leider. Es hat die unliebsame Fähigkeit, den Dünndarm anzugreifen und Menschen auf zahllose Weisen mit unterschiedlichsten Symptomen krank zu machen. Ist das bis in die Tiefen der Medizinwelt vorgedrungen? Beileibe nicht.


DIE WELT DER WISSENSCHAFT STEHT KOPF. HOFFENTLICH.


 

Gluten-Intoleranz hat die Medizin, wie wir sie bis vor wenigen Jahren kannten, auf den Kopf gestellt. Viele unerklärliche Leiden erschienen in neuem Licht: chronische Rückenschmerzen, Herzinfarkt, Diabetes, Krebs, chronische Darmentzündung, Restless Legs, Autismus, Gedächtnisstörungen, depressive Verstimmungen – allesamt von namhaften Experten als Folgen von Gluten-Unverträglichkeit geoutet; gebündelt und veröffentlicht im Journal of the American Medical Association (JAMA).

Bis zur Diagnose vergehen in der Regel immer noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Und genau genommen fehlen bei Gluten-Intoleranz (von der ca. 8 - 9% der Deutschen betroffen sind), anders als bei Zöliakie (von der 1 - 2% betroffen sind) sogar die Testmethoden.

Wir reden hier von 50 Jahren. Bei Corona zuverlässige Testmethoden innerhalb von 6 Monaten zu erwarten, funktionierende Impfungen, komplette Heilung: viel Glück mit dieser Hoffnung.



„Die Wissenschaft – richtig verstanden – heilt Menschen von ihrem unangebrachten Stolz, denn sie zeigt ihnen ihre Grenzen.“

 Albert Schweitzer (1875 – 1965)



Wir fühlten uns auf der sicheren Seite, wenn wir in die Bäckerei gingen. 
Was kann harmloser sein? Das ist vorbei. Maske ist angesagt. Die Mikropartikel des Mehlstaubs sind für eine(n) mit Zöliakie so zuträglich wie das Corona-Virus für einen Rentner mir Vorerkrankungen. Superweizen. Klingt toll. Ist aber unter Umständen ein Superspreader … und in seiner Langzeitnebenwirkung, so scheint es zumindest, wohlmöglich so furchterregend wie die millionenfach unsachgemäß konsumierten Antibiotika.

 Sie galten ebenfalls für Jahrzehnte als unumstößlich sicheres Heilmittel.

Wer hätte denn ahnen können, dass solche Gefahr auch von etwas so scheinbar harmlosem wie Gluten drohen kann?! Dass es, wie auch die Antibiotika, die Darmschleimhaut und damit unser wichtigstes Immunorgan angreift, wenn auch von einer anderen Seite? Kommen beide zusammen – zu viele Antibiotika, zu viel Gluten – potenziert sich das Ganze. Wir haben 50 Jahre zuversichtlich, dass wir uns mit Weizen nur Gutes tun, auf einem Pulverfass gesessen. Dann ging es hoch.


WISSENSCHAFT TRÄGT DEN IRRTUM BEREITS IN SICH.



Ein sogenannter Paradigmenwechsel ist normal in den Naturwissenschaften. Erst galt den Weisen die Erde als eine Scheibe. Dann die Einsicht: Nein, die Erde ist rund. So oder ähnlich gibt es immer wieder Annahmen, die korrigiert werden müssen. Wofür zuvor gemordet wurde, mit Worten und mit Taten, war schlicht – ein Irrtum.
 
 Wir wollen Antworten, die für immer gelten … ganz besonders dann, wenn wir krank und verletzlich werden. Doch Fakt ist: Es gibt sie nicht, jedenfalls nicht dort, wo wir sie suchen. Ein Atom ist an sich harmlos, solange niemand eine Atombombe daraus baut. Weizen ist an sich harmlos, solange niemand Superweizen daraus macht. Antibiotika sind zwar nicht harmlos, waren aber oft genug lebensrettend, wenn man sie bei genau definierten Indikationen verabreichte. Wenn überhaupt etwas wahr ist im Leben und in der Medizin, dann dies: Die Dosis macht das Gift. Der Weizen ist da keine Ausnahme.



Nichts ist absolut. Außer dem Nichts selbst.


Das, von dem wir glauben, es sei in Stein gemeißelt, ist im Idealfall lediglich eine Übereinkunft, die sich über einen langen Zeitraum bei vielen Menschen bestätigt. Wie zum Beispiel die Wirksamkeit des Aspirins – selbst wenn man bei den allermeisten Komponenten nicht einmal weiß, warum sie eigentlich wirken. Beim Aspirin überwiegt der Nutzen bei weitem den Schaden. Das können nicht einmal viele Vitamintabletten von sich behaupten.

Beim Weizen ist es umgekehrt: Der Schaden fängt an, dem Nutzen den Rang abzulaufen. Die Erkenntnisse sind mehr als beunruhigend: Schizophrenie-Risiko beim Baby, wenn die Schwangere Gluten-sensitiv ist. Gelenke, die schmerzen, Knochen, die brechen. Rückenschmerzen, die selbst mit der ausgefeiltesten Bilddiagnostik nicht zugeordnet werden können. Seelen, die sich nach einem Stück Torte massiv verdunkeln. Nahrungsmittelunverträglichkeiten – unter anderem von Gluten – breiten sich aus wie Buschfeuer in australischen Trockenperioden.

 

MENSCHLICHE VERSUCHSKANINCHEN

Was die Ernährung angeht, müssen wir im Moment unser Leben riskieren, um es zu bewahren … solange, bis klarer wird, was genau uns krank macht – und vor allem wie. Wir ernten nicht nur, was wir gesät haben … wir müssen es buchstäblich fressen.
 Bisher fällt vielen Ärzten bei Gluten-Intoleranz wenig Besseres ein, als Gluten aus der Ernährung der PatientInnen zu streichen, abzuwarten, ob es besser wird, und dann zwecks Gegenprobe erneut Weizen oder Roggen zu verabreichen. Und vielleicht gibt es aktuell auch nichts Besseres. Anders als bei Zöliakie, wo Blutbild, Antikörper, Gentests und eine Biopsie der Dünndarmschleimhaut Gewissheit bringen können, sind diese Untersuchungen bei der Gluten-Intoleranz nicht schlüssig. Wenn dir jedoch nach der Abstinenz und Wiedereinführung von Gluten schlecht wird, du Durchfall bekommst, Blähungen oder Migräne – hurra! – dann, ja dann, war wahrscheinlich Gluten der Übeltäter. Und wenn du dir das nicht zumuten, sondern einfach nur auf deinen Körper vertrauen möchtest, ist das auch okay.



So wie bei der AIDS-Erkrankung, die bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erstmalig beschrieben wurde, oder bei den Corona-Viren, die nicht zum erstenmal Menschen töten, hat es auch beim Weizen Jahrzehnte gedauert, bis sichtbar wurde: Wir haben uns ein wirklich ernsthaftes Gesundheitsproblem im wahrsten Sinne des Wortes heran gezüchtet. 
Es betrifft nicht nur diejenigen, deren Immunsystem jetzt schon Amok läuft, sobald es glutenhaltiges Brot wittert. Es betrifft uns alle. Denn wir wissen nicht, wann genau wir unser persönliches Limit an Unverträglichkeits-Potenzialen erreicht haben. Wann die innere Chemie kippt, wann unsere eigenen genetischen Schalter sich umlegen. Selbst die erfahrensten Forscher der Welt können das nicht vorhersagen. Das hört die Wissenschaft nicht gerade gern. In ihrer Welt ist das eigene Nicht-Wissen einzugestehen eine äußerst sensible Disziplin. Dazwischen rauschen viele Egos in frisch gestärkten Kitteln durch die Gänge und verteidigen den Status quo.


Der Weg wird kein leichter sein


Dafür tragen wir mit unserer Wissenschaftsgläubigkeit die Verantwortung zumindest mit. Wir wissen längst um die Gefahren von Pestiziden, künstlichen Düngern, Dioxin im Boden, von Quecksilber, Hormonen und Antibiotika, die in unsere Nahrungskette gelangen, von unzähligen genetischen Manipulationen im „Futter“ von Mensch und Tier. Uns schwirrt der Kopf von all dem Horror. Wir essen trotzdem weiter wie bisher. Nur knapp 6 Prozent der Nahrung auf unseren Tellern ist Bio, weitestgehend frei von Giften und genetischer Veränderung.



Einer der Hauptgründe dafür ist, dass Wissenschaftler immer noch weiter behaupten, all das Gift sei harmlos, solange die Höchstgrenze eingehalten wird. Wir vergessen, dass diese Höchstgrenze IHRE ist – aber vielleicht nicht deine. Oder meine. Oder unsere. Bei Gluten sind das 20ppm (2mg pro 100g). Was, wenn für all diejenigen, denen es mit einer glutenfreien Diät nicht besser geht, 20ppm einfach zu viel sind?


Wir Menschen gehen weit, oft zu weit, um uns selbst in Sicherheit zu wiegen. Wir möchten, dass jemand sagt, wie es wissenschaftlich ist, statt uns selbst zu sagen, wie es für uns ist. Wir verpassen genau dadurch wichtige Chancen: zum Beispiel die, mehr auf sich selbst und weniger auf Kapazitäten, Internet, Talkshows und Influencer zu achten; uns selbst ohne weitere Medikamente von den Folgen der Gluten-Intoleranz zu befreien, einfach nur durch Nahrungsumstellung nach Regeln, die demjenigen gut tun.

Das größte biochemische Labor tragen wir letztlich ohnehin in uns selbst: Unser Körper vollbringt täglich Milliarden von Wundern, von denen Forscher nur träumen können und deren Zusammenhänge wir selbst nicht verstehen. Mysterien wie das Immunsystem, das Gehirn, die Plazenta sind nicht annäherend entschlüsselt. Wir kennen das menschliche Genom – doch wie die Schnipsel der DNA untereinander agieren, kommunizieren, mutieren und warum: ein Rätsel. Einfach ausschalten kann man "böse Gene" jedenfalls nicht, ohne an einem völlig anderen Ende wohlmöglich eine Katastrophe auszulösen. Entsprechend kann man auch die Gene, die Zöliakie verursachen, nicht einfach abschalten, ohne mit Konsequenzen zu rechnen.


Was bleibt also bei einer Erkrankung, für die es keinen Heilungsansatz gibt? Trau dir.

Wenn dir etwas komsch vorkommt, IST es komisch. Immer ist als erstes dein Instinkt gefragt, der gesunde Menschenverstand, deine innere Stimme. Wenn du merkst, dass dir etwas (oder jemand) nicht gut tut, und dass es dir besser geht, wenn du es (oder ihn oder sie) weglässt: Versuch es ohne.







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