top of page

Glutenfreie Baupläne



Mit der Erfahrung ist es ja so, dass man ihr erst glaubt, wenn einem die Abrissbirne selbst auf den Kopf fällt.


In meiner glutenfreien Welt nehme ich meine Zutaten, backe daraus etwas, das ich mir wünsche… und fertig sind zum Beispiel die Petit fours, die ihr oben auf dem Foto seht. Happy Easter, by the way.. Vor einigen Jahren sahen sie noch so aus, als wäre die Schokolade umgekippt und aus Versehen auf sie drauf gefallen. Inzwischen sind sie so unwiderstehlich, dass ich dafür nachts an den Kühlschrank schleiche. Erfahrung eben.


Widmet man sich der deutschen Baubranche, wo man ja auch verschiedene Zutaten aufeinander stapeln muss – um bei der Methapher zu bleiben –, liegen die Dinge etwas komplizierter.

Ich hatte mir so vorgestellt, dass wir in eine größere Bäckerei umziehen, weil unsere in etwa die Kleidergröße 36 hat, während wir in Wirklichkeit 44 brauchen, um einigermaßen atmen zu können. Was in diesem Fall ja eigentlich eine gute Nachricht wäre.


Ich stellte mir vor, dass wir einen Platz suchen, möglichst frisch renoviert, einen Antrag auf Nutzung für Lebensmittel stellen und los geht's.

Nicht ganz.


Wichtig ist, dass man es sich nicht zu einfach macht.


Wir hatten den Platz gefunden. Er war auch frisch renoviert. Doch um dort – neben vielem anderen – die besagten Petit fours zu backen, hätten wir vorher dann doch noch mal sehr aufwändige Bodenproben nehmen müssen, gefolgt von nicht minder komplizierten Proben aus den Wänden, nicht zu vergessen die Proben vom Anstrich der sehr schicken Stahlträger und falls dann noch Unklarheiten herrschen, Proben von der Luft.


Die Genehmigung las sich auf Seite 1 quasi wie ein Selbstgänger – außer, dass sie nur dann in Kraft treten würde, wenn wir die 17 Unterpunkte auf der vielseitigen Bedenkenliste, was alles passieren kann, sorgfältig abgearbeitet hätten.


Ich erspare euch jetzt den Teil, wo wir bei den Bodenproben Zelte hätten aufschlagen müssen, damit von den Bodenproben nichts in die Luft gerät und die zuständigen Damen und Herren – auch die außerhalb es Zeltes – diese Luft womöglich eingeatmet hätten.


Das alles – und wie gesagt: sehr viele große deutsche Konzerne sind bereits auf der äußerst verständlichen Flucht – erfuhren wir nach einer Wartezeit von drei Monaten. Was wiederum daran lag, dass wir ein Eilverfahren beantragt hatten, nachdem eine Schokoliermaschine den vorhandenen Raum in unserer Mini-Manufaktur endgültig zu sprengen drohte. Sie wird nächsten Monat wieder abgeholt, die Maschine.



Den Dachfirst nicht unterschätzen




Denn bis die Proben fertig wären – ich will jetzt nicht von den fünfstelligen Kosten reden, ohne dass wir auch nur ein einziges Brötchen gebacken hätten – wären weitere Monate vergangen. Natürlich wäre der Ausgang äußerst ungewiss gewesen, versteht sich, weil wir aus dem Stand – zusätzlich zu unserem sonstigen Erfahrungsmangel – auch nicht sagen konnten, ob der Schornstein des Gebäudekomplexes tatsächlich 3 Meter über dem First liegt. Falls nicht, wäre vermutlich ein neues Dach fällig geworden.

Wir hätten fragen sollen, als wir für 5 Mitarbeiter 9 Parkplätze nachweisen mussten, von den Fahrrädern mal ganz abgesehen. Denn in Schleswig-Holstein gelten andere Regeln, als in dem einen besondern Kreis in Schleswig-Holstein, wo man eben nach Quadratmetern geht und nicht etwa nach der Zahl der Leute mit Auto. Vielleicht bin ich auch einfach naiv.


Und wenn wir überhaupt dort hätten backen dürfen, wozu es ja nun nicht kam, dann nur für drei Jahre. Danach muss das ganze noch mal genau überprüft werden, ob nicht womöglich die Regierung bebt, falls wir die Stahlträger, die dem angepeilten Sehnsuchtsort einen Loft-artigen Charakter verliehen, einfach überstreichen. Zuzutrauen ist uns alles.


Ich schreibe bewusst in der Vergangenheit, denn die ist es nun. Fast wären wir umgezogen. Leider kam die Abrissbirne vor der Einweihungsparty… genau so, wie man es immer und überall liest und hört. Die Welt könnte ein völlig anderer Ort sein, wenn irgendwer mal auf die Erfahrung von irgendwem anderen hören würde. Zumindest, was glutenfreies Bauen angeht.




48 Ansichten
bottom of page