top of page
Katinka Reichelt

Schlaf, Kindlein, schlaf…


Gibt es eine Freundin, die ich nicht gefragt, einen Blog, den ich nicht gelesen, Fachliteratur, die ich nicht gegoogelt hab? Ich glaube nicht. Facebook lud schon automatisch alle Bücher zum Thema "Jedes Kind kann schlafen" oder ähnliches bei mir hoch, ungebeten.

Mit Millionen Müttern teile ich das, was mit einem Baby nahezu unabdingbar scheint: Schlaflosigkeit. Nachts 3 bis 10 x aufstehen, um dann morgens nicht mehr zu wissen, wie ich heiße oder wie es sich anfühlt, ausgeruht zu sein. Manchmal gerät der Guss auf den Keksen leicht zitterig. Das gehört dazu, dachte ich, aber mich quälte ständig die Frage, ob ich etwas falsch mache, etwas übersehe.


Es sollte sich herausstellen: Ja, Zöliakie.


Im ersten Jahr und solange ich gestillt habe, dachte ich (und las es auch): Das Aufwachen ist normal. Danach auch noch. Und so bemerkte ich den Übergang nach dem Abstillen nicht, als wir in Miniaturportionen Gluten zu füttern begannen. Aufwachen ist normal, sagte ich mir 1000 Mal. Niemand schrieb, dass es auch nicht normal sein kann.


Ich hab selbst Zöliakie, also verbietet es sich, das Haus mit Mehlstaub zu überziehen. Aber ich wollte unserem Mini Rebel wenigstens die Chance geben, damit in Kontakt zu kommen. Also ab und an ein kleines bisschen. Da wusste ich noch nicht, dass sie das Doppelgen trägt. Und ich wusste auch noch nicht, dass Symptome wie ihr aufgedrehtes Temperament, unstillbarer Durst und manchmal auch Spucken nach solchen Miniportionen Gluten zusammenhingen. Und eben diese permanente (Nicht-)Schlaffolter. Nicht nur für mich. Vor allem auch FÜR SIE!


DIE SCHLAFSTÖRUNGEN BEI KLEINKINDERN MIT ZÖLIAKIE WERDEN NIRGENDS ERWÄHNT

Emily war immer lustig, immer gesund, immer gut drauf, ein glücklicher Brummer in der Tüte. Ihr schien absolut nichts zu fehlen. Zumindest, bis in ihrem Zimmer das Licht ausging. Dann war nah nicht nah genug, trinken nicht genug trinken, weinen nicht genug weinen, und der einzig sichere Schlafplatz war auf mir. Das ist der Punkt, an dem man kaum noch wagt, andere zu fragen. Die Geschichte, wie andere Kinder seit der sechsten Woche oder auch dem sechsten Monat problemlos durchschlafen, hilft nicht wirklich weiter, wenn du nicht weißt, warum dein eigenes Kind genau das nicht kann.


Ich vermutete aufgrund der Trinkmengen schließlich Diabetes Typ1 – nicht zuletzt deshalb, weil dieser, neben Hashimoto der Schilddrüse und Polyarthritis der Gelenke oft im genetischen Umfeld von Zöliakie auftritt. 8 bis 10 Fläschchen Wasser pro Nacht waren einfach viel zu viel. Ich machte mir schreckliche Sorgen, wusste nicht, ob sie wirklich unstillbaren Durst hatte (was ein Diabetes-Zeichen wäre) oder das Trinken zur Beruhigung wollte – oder einfach, dass ich komme und sie streichle. Es war ein Teufelskreis und ich befand mich im Blindflug nach nirgendwo. Vor lauter Panik bemerkten wir alle nicht einmal, dass sie, während ich das Trinken auf sanft-möglichste Weise reduzierte, gleichzeitig kein Gluten mehr bekam. Der Wasserpegel fiel, die Wachphasen auch.

Als das kleine bisschen Gluten auf den Speiseplan zurückkehrte, kam auch der nächtliche Horror zurück… inklusive Unmengen Wasser. Meine Alarmglocken hörten nicht mehr auf, zu schrillen.


Ich bin immer noch überwältigt von den Antworten der Mütter.

Als wir sie schließlich mit Blutbild und Gentest richtig durchcheckten und sich herausstellte, dass sie nicht nur "leichte" Symptome hatte, sondern auch das doppelte Zöliakie-Gen; als klar war, dass Gluten ab jetzt tabu ist, begann eine unfassbare Veränderung. Sie schlief besser nach 3 Tagen, sie trank viel weniger. Und ich stellte die Frage auf Facebook: "Kennt jemand von euch das auch?", weil ich dachte, ich bilde mir das ein.


Doch das war nicht der Fall. Da draußen sind viele, die das gleiche erlebt haben. Die sich genauso fühlten wie ich. Die auch erst nach der Diagnose ganz allmählich die Zusammenhänge erkannten, ohne dass irgendjemand ihnen (oder mir) gesagt hätte, dass zwischen Zöliakie und massiven Schlafstörungen bei Babys und Kleinkindern überhaupt ein Zusammenhang bestehen kann. Dass ihr in der Prägung befindliches Gehirn eventuell ständig auf "Hyper-Modus" steht. Dass sie keine Ruhe finden. Und wenn man als Mutter nur sein sehr aktives Kind kennt, denkt man sich davon allein – nichts.


Ein neues Normal

Nach 1 Woche konsequenter Diät wachte unser Mini Rebel nur noch 1 x pro Nacht auf. Jetzt sind knapp vier Wochen um, und sie schläft 12 Stunden, trinkt viel weniger nachts, ist viel fokussierter beim Spielen, lernt alle 5 Minuten etwas Neues und ist morgens nicht mehr blass und müde nach üblen Nächten, sondern so fröhlich und ausgeglichen wie überhaupt nur denkbar. Aber eben anders als vorher. Es gibt ein völlig neues Normal. Ich staune dieses neue Normal an wie ein Wunder, denn nicht weniger ist es für mich.

Dass all die Mütter mir geschrieben haben, hat mich mehr ermutigt, als ich in Worten ausdrücken kann. Und weil ihr Wissen und ihre Erfahrung mir so sehr weitergeholfen hat, will ich es mit euch teilen. Falls eure Familien vielleicht genau das gleiche durchmachen.




Comments


bottom of page